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Teilhabe braucht Mobilität

Experte: Alle Akteure an einen TischSoVD spricht sich in Podiumsdiskussion für mehr ÖPNV für mehr Teilhabe aus

Sulingen Marc Broda ist 50 Jahre alt. Teilhabe sei dem Beschäftigten der Delme-Werkstätten für Menschen mit Behinderungen wichtig, sagt er. Der Bewohner des Inklusiven Wohnens der Lebenshilfe Grafschaft Diepholz am Schwafördener Weg in Sulingen war Samstag Podiumsgast einer Diskussionsveranstaltung des Kreisverbandes Diepholz im Sozialverband Deutschland (SoVD). „Mehr ÖPNV für mehr Teilhabe” hatten die Gastgeber den Austausch in Sulingen überschrieben.
Sport, Kultur, Politik: Der 50-Jährige gilt als interessiert. Aber: „Ich bin, wie meine Nachbarn, nur eingeschränkt mobil.” Taxi-Fahrten zu Kultur- oder Politikveranstaltungen oder das Training im Fitnessstudio im Gewerbegebiet mutierten für beeinträchtigte Grundsicherungsempfänger zu einer kaum auf Dauer zu finanzierenden Lösung.

Fehlende Mobilität erschwere nicht nur Menschen mit Beeinträchtigungen Teilhabe, sondern zunehmend auch Seniorinnen und Senioren, verdeutlichte Wiebke Wall, Sprecherin des Sozialpolitischen Ausschusses des SoVD-Kreisverbandes.

Die Lage Sulingens als Knotenpunkt von drei landesbedeutenden Buslinien sei traumhaft. „Tatsächlich fehlt es am innerörtlichen Personennahverkehr - und damit an den Zubringern zu den Landesbuslinien.”

Nicht bei den Nachbarn: Ortwin Stieglitz aus Varrel gilt als einer der Botschafter des Anruf-Sammel-Taxis in der 7.500 Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Samtgemeinde Kirchdorf. Aktuell registriere man 3.300 Fahrten im Jahr. „Für den Haushalt für das Jahr 2023 war ein Aufwand von um die 60.000 Euro ausgewiesen. Bei einem Gesamthaushaltsvolumen von zwölf Millionen Euro sollte das machbar sein.” Und: „Mit Blick auf die Daseinsvorsage war die Einführung eine gute Entscheidung, die zwischenzeitlich von anderen Samtgemeinden übernommen wurde.”

Kreisrätin Britta Korfage: „Es gibt vieles, aber auch einiges was noch nicht perfekt ist im ÖPNV im Kreis.” Sie stellte das Förderprogramm vor, über das der Landkreis den einzelnen Einheits- und Samtgemeinden seit dem Jahr 2021 und aktuell noch bis in das Jahr 2026 jeweils 50.000 Euro im Jahr zur Verfügung stellt. „Eben auch zur Förderung des innerörtlichen Verkehrs.”

Zu glauben, den ÖPNV überall so aufstellen zu können, dass man zu jeder Zeit von jedem Ort zu jedem Ziel im Stundentakt reisen kann, sei Utopie. „Wir müssen überlegen, wie wir die Menschen zu diesen Linien bringen können.”

Etwa mit Hilfe von On-Demand-Verkehren? Stefan Bendrien vom ZVBN: „Im Grunde ist das ein Verkehr auf Anforderung, den wir seit den 80ern kennen, und der aktuell aufgrund digitaler Weiterentwicklungen eine Renaissance erlebt.” Anruf-Sammel-Taxi-Systeme seien per se nicht gut oder schlecht. „Am Ende kommt es auf die Nachfrage an.”

Jörg Schneider, Sprecher des Bundesfachausschusses Verkehr des NABU und Mitbegründer von „moobil+” in den Landkreisen Vechta und Cloppenburg empfiehlt den Kommunen des Landkreises, sich verstärkt den Fragen der innerörtlichen Erschließung zu widmen.

Rahmenbedingungen habe der ZVBN bereits im Nahverkehrsplan geregelt. „Wichtig ist die politische Meinungsbildung. Was will sich die Politik - und was wollen sich die Bürgerinnen und Bürger leisten.”

Eine Frage, die im Schlusswort des Vorsitzenden des SoVD-Landesverbandes Niedersachsen, Dirk Swinke, keine Antwort fand. Swinke würdigte das Engagement des Kreisverbandes um dessen Vorsitzenden Bruno Hartwig, der die Veranstaltung in Sulingen moderierte. „Eine Lösung durften wir heute nicht erwarten; aber die Fortschreibung eines Prozesses. Wichtig ist, die Akteure an einen Tisch zu bringen.” Unter anderem verfolgten der Bundestagsabgeordnete Axel Knoerig, Sulingens Bürgermeister Patrick Bade sowie mit Ulrike Tammen und Volker Meyer auch Kandidaten zur Wahl des Landrats des Landkreises Diepholz im September die Diskussion.

Eingeleitet worden war die Veranstaltung durch einen Haltestellen-Sketch der Laiendarstellerinnen „Frieda und Anneliese“ aus Wagenfeld.

oti